Beredte Tiere. Narrative Konfigurationen von Mensch-Tier-Beziehungen in der deutschsprachigen Tierliteratur des 14.-16. Jahrhunderts
"Das Projekt untersucht in drei Unterprojekten die Darstellung und Funktionalisierung von Tieren in der Tierdichtung (Fabel und Epos) sowie der wissensvermittelnden Literatur (Naturkunde) des 14.-16. Jahrhunderts. Diese Texte werden übergreifend als Tierliteratur behandelt, da in ihnen Tiere als mit Eigenschaften versehene Figuren beschrieben und – auf der Handlungs-, der Auslegungs- oder auf der Ebene der Wissensvermittlung – in ein Verhältnis zum Menschen gesetzt werden. In diesem Sinne reflektiert Tierliteratur Mensch-Tier-Beziehungen, indem sie Menschen und Tiere miteinander konfrontiert und sie interagieren lässt. Tiere sind in diesen Texten nicht ausschließlich anthropomorph und mitunter nicht einmal sprachbegabt, doch sprechen sie in ihren Repräsentationen stets zum und vom Menschen, ohne dabei ihre ‚Tierheit‘, den Eigensinn ihrer jeweiligen Spezies, zu verlieren. Da sie somit stets auch als Akteure in Wissensprozeduren fungieren, soll untersucht werden, wie die Grenzziehung zwischen Mensch und Tier in den behandelten Texten durch das Tier kommuniziert und im Spannungsfeld von Wissen und Erzählen immer wieder neu hervorgebracht wird. Dieser Zusammenhang ist für den zu untersuchenden Zeitraum von besonderer Relevanz, da die in großer Zahl entstehenden volksprachliche Enzyklopädien, Fabelkorpora und Tierepen einen produktiven Umgang mit den bisher weitgehend stabilen Darstellungstraditionen in Bezug auf Tiere aufweisen. Tiere behalten ihre hier allegorische Verweisfunktion, werden aber zunehmend auch politisch, anthropologisch und ästhetisch lesbar. Indem sich die volksprachliche Tierliteratur seit dem späten Mittelalter vom pragmatischen Kontext der Schullektüre löst und in neuen Kontexten neue Wissensformationen bildet, entfaltet sie das imaginative Potential des beredten Tieres neu."
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