Einzelprojekte

Die Neugestaltung des ‚jüdischen Humors‘ im Deutschland der Nachkriegszeit. Ephraim Kishon und sein Übersetzer Friedrich Torberg

"In den 1960er bis 1990er Jahren reagierte das nichtjüdische Publikum in der BRD mit Begeisterung auf Kulturproduktionen zum Thema ‚jüdischer Humor‘. Eine besondere Rolle kommt dabei dem aus Ungarn stammenden israelischen Autor Ephraim Kishon zu, dessen Humoresken in der BRD eine unübertroffene Popularität erlangten. Von der Gesamtauflage seiner Bücher, die auf 43 Millionen geschätzt wird, sind 33 Millionen in der BRD erschienen.1 Kishon prägte so lange Zeit das westdeutsche Nachkriegsbild von Juden, Jüdinnen und von Israel. Neben der besonderen Situation der Rezeption seiner Texte in der postnationalsozialistischen westdeutschen Gesellschaft beruht Kishons Popularität massgeblich auf der Arbeit seines österreichischen jüdischen Übersetzers Friedrich Torberg, der als Mentor und Mittler Kishons im deutschsprachigen Raum fungierte. Um die Neudefinition des ‚jüdischen Humors‘ durch Kishon und Torberg zu bestimmen, untersucht das hier vorgelegte Projekt zum einen den spezifischen Beitrag von Torberg zu Kishons ‚israelischer‘ Variante des ‚jüdischen Humors’. Torberg nutzte die englischen Übersetzungen von Kishons ursprünglich hebräisch verfassten Texten als Vorlage. Um Torbergs Anteil an der deutschen Version genauer zu bestimmen, wird die englische Übersetzung mit dessen relativ freien Übertragungen ins Deutsche verglichen. Ziel ist zunächst, das spezifische Subversionspotenzial herauszuarbeiten, das sich durch Torbergs Übertragungen im deutschen Nachkriegskontext ergibt. Auch der (literarische) Umgang der beiden Autoren mit ihrer eigenen Verfolgungs- und Vertreibungserfahrung in der NS-Zeit wird hier einbezogen. Die Konzeption des ‚jüdischen Humors‘ zwischen europäischer Wiener Tradition und israelischer Erneuerung soll anhand der Trenn- und Verbindungslinien der sprachlichen Übertragung beschrieben werden. Darüber hinaus wird mit einem rezeptionstheoretischen Fokus untersucht, welche Entlastungsangebote die Texte für die deutschen Leser/innen aufweisen. Dabei findet das Modell des idealen impliziten Lesers (Wolfgang Iser) Anwendung. In einem zweiten Schritt ist der Erwartungshorizont (Hans Robert Jauß) der westdeutschen Nachkriegs-Interpretationsgemeinschaft im Kontext von ‚Vergangenheitsbewältigung‘ und ‚Schuldabwehr‘ zu rekonstruieren. Hier sollen Gründe identifiziert werden, warum der ‚jüdische Humor‘ in der Version von Kishon und Torberg in der BRD diese ungeheure Popularität erlangte und welche Funktionen er im Kontext der Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit, der Entwicklung des ‚deutschjüdischen‘ Verhältnisses nach 1945 und der deutschen Haltung zu Israel hatte."

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Quelle der Beschreibung: Information des Anbieters

Schlagworte

Jüdischer Humor

Kontakte

Alfred Bodenheimer

Institution

Universität Basel
Zentrum für Jüdische Studien
Schweiz