Einzelprojekte

Politische Anthropologie der Tierepik

"Das Teilprojekt untersucht die lateinische und volkssprachige Tierepik des Mittelalters und der Frühen Neuzeit als ein Textfeld, in dem sich spezifisch poetische Weisen einer Reflexion des Politischen abzeichnen. Das eigenständige diskursive Potential des tierepischen Erzählverfahrens beruht insbesondere auf wechselnden, nicht systematisch arretierbaren Überlagerungen zwischen menschlicher Intentionalität und Institutionalität einerseits und animalischer Triebnatur andererseits. Weithin selbstverständlich geltende Fundierungen der politischen Ordnung in der Natur des Menschen werden dadurch verunsichert, so dass kulturell fundamentale Paradoxien der Begründung von sozialem Zusammenschluss, von Machtverhältnissen, Herrschaftsansprüchen und Rechtsgeltungen sehr viel prägnanter zutage treten können, als dies unter den Vorgaben der zeitgenössischen politischen Theoriediskurse möglich ist. In der zweiten Phase soll der historische Fokus unserer Untersuchungen von den mittelalterlichen deutlicher zu den frühneuzeitlichen Texten verschoben werden; die erfolgreiche exemplarische Erprobung des Frageansatzes wird dabei nun verstärkt auf Beobachtungen des diachronen Wandels der Gattung im Kontext eines sich neu ausdifferenzierenden Literatursystems bezogen sowie auf die Erschließung von Transformationen der diskursiven Charakteristik tierepischer Texte unter den Bedingungen veränderter epistemischer Voraussetzungen insbesonders auch in der politischen Theoriediskussion. Geschichtlichkeit rückt daneben auch mehr und mehr als intratextuelle Dimension ins Zentrum unseres Interesses: Schon in den mittelalterlichen Texten wird mitunter die der fiktionalen Disposition eingeschriebene 'naturalisierende' Suggestion von Anfangslosigkeit und Permanenz der politischen Ordnung im Tierreich durch den Rückblick auf Ursprünge oder durch Szenarien des Umbruchs und Zerfalls der Ordnung relativiert. In den frühneuzeitlichen Texten scheinen sich entsprechende Verhandlungen der Geschichtlichkeit von politischer Ordnung – mit neuen Akzenten – noch stärker durchzusetzen. Weitere wichtige Interessensschwerpunkte der zweiten Arbeitsphase liegen zum einen bei der Analyse des Sujets der Gerichtsverhandlung als zentralem Erzählsyntagma des frühneuzeitlichen Fuchsromans, zum andern bei der Rekonstruktion der spezifischen Modellierungen sozialer Differenzen, soweit Argumente der Körperlichkeit, der Abstammung und Sippe sowie des Geschlechts in der Projektion auf die spezifischen Bedingungen der tierepischen Erzählwelt narrativ verhandelt werden."

mehr lesen weniger lesen
Quelle der Beschreibung: Information des Anbieters, bearbeitet

Schlagworte

Tierepik, Politische Anthropologie

Kontakte

Michael Waltenberger

Institution

Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU)
Fakultät für Sprach- und Literaturwissenschaften
Institut für Deutsche Philologie
Deutschland