Bourdieu sah sich vor die Aufgabe gestellt, die Vorstellung einer totalen Freiheit des Individuums, die ihm als eine Projektion der privilegierten Situation der Intellektuellen erschien, zu überwinden, ohne ins Gegenteil zu verfallen, in die Vorstellung einer völligen Determination des Menschen, die freilich nicht mehr biologisch bestimmt wurde wie zu Zeiten des Positivismus im 19. Jahrhundert, sondern eher kulturell als Determination durch Diskurssysteme, ökonomisch durch wirtschaftliche Verhältnisse, sozial durch Klassenstrukturen. Es ging ihm darum, die Erfahrungen der Akteure in ein Erklärungsmodell ihres Handelns zu integrieren. [...] Bourdieu gelangte zu der Erkenntnis, dass Handeln nicht bloß Vollzug einer Regel ist. Auf der Basis seiner Dispositionen kann ein Akteur „Spielzüge“ durchziehen, die nicht vorhergesagt werden können. Es galt, das Paradox zu beschreiben, dass ein Verhalten auf Ziele gerichtet sein kann, ohne bewusst durch sie geleitet zu sein. Der Rekurs auf das Bewusstsein des Akteurs kann hier nicht weiterhelfen, das Prinzip der Regel ebenso wenig. In seinen frühen Arbeiten griff Bourdieu auf Max Weber zurück, der auch die Beziehung zwischen den objektiven Chancen und den subjektiven Erwartungen thematisierte. Er bezog sich zunächst auf den Weberschen Begriff des Ethos, um die Verinnerlichung objektiver Beziehungen zu bezeichnen. [...] Dann aber wird der Begriff des Habitus für ihn zu einer zentralen Kategorie. [...] Bezog Bourdieu den Begriff des Habitus zuerst auf Körpertechniken, so weitete er dieses Konzept später auch auf intellektuelle Wahrnehmungsweisen (in ihrer kollektiven Form) aus.
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