2010 hätte das Jahr sein können, in dem Werner Herzog sich mit seinem deutschen Publikum versöhnt – und umgekehrt. Zeitgleich mit der Ausübung des Juryvorsitzes bei der Berlinale übergab er der Stiftung Deutsche Kinemathek seinen Vorlass, eine große Sammlung von Dokumenten und Gegenständen aus Herzogs Filmarbeit; kurz darauf startete sein »Bad Lieutenant« in deutschen Kinos – und damit der erste Herzog-Film in bald zehn Jahren. Doch ob diese Versöhnung wirklich stattgefunden hat und, wenn ja, ob sie auch Konsequenzen haben wird, bleibt zu bezweifeln. Während beispielsweise in Ländern wie Frankreich oder den USA, Herzogs Wahlheimat, seine neuen Filme seit ein paar Jahren wieder große Beachtung erfahren und seine alten von einem jungen Publikum wiederentdeckt werden, ist Deutschland von dieser Entwicklung weitgehend ausgeschlossen. War Herzog bis »Fitzcarraldo« (1982) als Außenseiter und Exzentriker unter Generalverdacht immerhin im Gespräch, wenn auch häufig rein ideologisch und emotional beurteilt, so wurde er nach »Fitzcarraldo« fast schon zu einem Tabu. In dieser Aufsatzsammlung, der ersten in deutscher Sprache seit rund 30 Jahren, geht es daher in einem ersten Teil um die Geschichte der Rezeption von Herzog und seinen Filmen in Deutschland sowie in Italien, Frankreich und den USA, drei Ländern also, in denen der Regisseur ein etwas anderes Image besitzt als in seiner Heimat und in denen jüngst Interviewbücher mit ihm entstanden, die alle nicht zuletzt eine gewisse Verehrung ausdrücken. Der zweite Teil enthält Originalbeiträge internationaler Herzog-Spezialisten zu bestimmten Motiven in seinem Werk wie auch zu einzelnen Filmen, die als Anregung zu einer möglichen Neubewertung auch in Deutschland gedacht sind. "Der Band... zeichnet sich durch den Verzicht auf akademischen Jargon aus und sollte Herzogs Werk zumindest neue Aufmerksankeit verschaffen" (epd Film 10/2011). "Die Tatsache, dass der Band unglaublicherweise erst die zweite deutsche Buchveröffentlichung zu Werner Herzog ist - die erste ist die längst vergriffene Monografie in der blauen Reihe von Hanser, von 1979 - lässt dieses „verloren” gerechtfertigt erscheinen. Die zweite Hälfte des Buches versucht dementsprechend Versäumtes nachzuholen und widmet sich Herzogs jüngerem Werk. In Aufsätzen verschiedener Autoren geht es um „Bad Lieutenant” (Marit Knollmueller), „Herzogs Komik” (Eric Ames), seine Arbeit für die Oper (Lutz Koepnick), um Herzog als „Euro-Ethnologen” (Valérie Carré) und seine „Doku-Fiktionen” (Chris Wahl)" (revolver-film.blogspot.com)
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