Ein gegen Schluss dieser Familiensaga zitierter Bibelspruch erweist sich als das Motto des Romans: "Jahwe sucht die Schuld der Väter an den Kindern heim bis ins 3. und 4. Glied". Der Waldbauer Ferdinand Goldberger hat als NS-Ortsgruppenführer in einer oberösterreichischen Gemeinde Schuld auf sich geladen. Trotz eines Neuanfangs und der Übergabe des Hofes an seinen Sohn sowie wirtschaftlicher Erfolge gibt es immer wieder familiäre Katastrophen bis hinab zu den Enkeln. Erst die 4. Generation kann die Prophezeiung (oder den Aberglauben daran) abtun. Wie schon der letzte Roman des oberösterreichischen Autors ("Wiedersehen in Fiumicino", ID-B 15/11) ist auch dieser psychologisch überzeugend, wenn auch durch die wechselnden Erzählperspektiven nicht einfach nachzuvollziehen. Das Happy End, auf das die Handlung zuläuft, wirkt allerdings trivial, weil allzu glatt. Kaiser-Mühlecker findet zu einer an Adalbert Stifter erinnernden Erzählbreite und Detailgenauigkeit, insbesondere in den Naturschilderungen. Nichtsdestoweniger eine literarisch bemerkenswerte Neuerscheinung. Schon für mittlere Bibliotheken. (Peter Vodosek) Roter Flieder ist ein gewaltiger Roman, geformt aus der Geschichte des Zwanzigsten Jahrhunderts, seinen Hoffnungen und Wirren. Goldberger musste weg aus dem Innviertel. Man hatte ihm eine neue Existenz in einiger Entfernung versprochen - wenn er nur bald ginge. Und nachdem er seine Frau beerdigt hatte, verließ er Wald und Hof, begleitet von seiner Tochter Martha. Als Ferdinand aus dem Krieg nach Hause kam, da übergab Goldberger seinem Sohn die Verantwortung für den neuen Hof, mit dem er selbst nie etwas anzufangen gewusst hatte. - Ferdinand gelang viel, die junge Familie kam zu etwas, "die Dinge liefen" und alles ging seinen vorherbestimmten Gang… Auf der langen Strecke gehen Menschen dreier Generationen verloren. Sie scheitern an ihrer Unfähigkeit, den anderen wahrzunehmen, sich verständlich zu machen oder sich auch nur über die eigenen Gefühle klarzuwerden. Gottesfürchtigkeit und Schicksalsergebenheit bemänteln Sprachlosigkeit und stumme Gewalt. „In dieser Ernsthaftigkeit und Unbedingtheit, auch in seinem poetischen Programm der Langsamkeit und Naturemphase erinnert er an Peter Handke oder auch an Hermann Lenz; und vielleicht gab es lange keinen Autor mehr, der so unbeeinflusst von den Moden und Eitelkeiten des Literaturbetriebs sein Schreiben verfolgt: Seine Texte greifen einen, weil sie etwas Tastendes und Suchendes haben, auf eigentümliche Weise an; kommen, obwohl sie im Abgelegenen spielen, sehr nah. Vielleicht werden sie deshalb auch länger Bestand haben als vieles, was sich als vermeintlich relevante Gegenwartsprosa aufdrängt. In „Roter Flieder“ geht Kaiser-Mühlecker einen Schritt über das hinaus, was wir bisher von ihm lesen konnten, auch formal: Zum ersten Mal lässt er keinen Ich-Erzähler sprechen, sondern nimmt eine Vogelperspektive ein. Der Roman wird dadurch epischer, die Wahrnehmung viel umfassender, die einzelnen Figuren in ihren Idiosynkrasien und Verletzungen und ihrem Fühlen greifbarer. Der Blick erfasst mehrere Dimensionen, verändert sich und kann die Richtung wechseln, geht nach außen und innen“ (taz)
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