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Erich Mühsams "Unpolitische Erinnerungen", die als Feuilletonserie erstmalig 1927 bis 1929 in der Berliner Vossischen Zeitung erschienen, sind ein Panorama des literarischen Lebens während der vorigen Jahrhundertwende. In Anspielung auf Thomas Manns Betrachtungen eines Unpolitischen handelt es sich hier um unpolitische Erinnerungen eines Politischen. Mühsam, selbst der Prototyp des Caféhausliteraten, zeichnet mit liebevoller Ironie und freundschaftlicher Zuneigung ein Bild der Boheme als Brutstätte kultureller Innovation. In lockeren Bildern, Szenen und Rückblenden zeigt er, neben dem eigenen, den Lebensweg einer ganzen Generation von Literaten und Künstlern in ihrer gemeinsamen Suche nach neuen Ausdrucks- und Lebensformen. Mühsam führt den Leser in die Ballungszentren der Boheme nach Schwabing, Berlin, Wien, Paris und Ascona, in Kaffeehäuser und Kabaretts, in Kegelclubs und Ateliers; erzählt, wer mit wem verkehrte, wer zu welchem Kreis gehörte, wer an welchem Stammtisch saß, wer sich an welchen festlichen Veranstaltungen beteiligte und wer von wem vor die Tür gewiesen wurde oder diese erbost laut zuknallen ließ. Mühsam kannte sie alle: Franziska zu Reventlow, Peter Altenberg, Roda Roda, Ferdinand Hardekopf, Karl Kraus, Emmy Hennings, Otto Gross, Stefan George, Frank Wedekind, Egon Friedell, Wilhelm Bölsche, Peter Hille, Edvard Munch, Else Lasker-Schüler, Paul Scheerbart... Die Unpolitischen Erinnerungen sind ein lebendiges Zeugnis für αeine der interessantesten Epochen unserer Literatur±, sie sind ein Vademekum durch das kulturelle Leben um 1900. Der Literat und Anarchist (1878-1934), der um die Jahrhundertwende zur Bohème von München, Berlin und Wien gehörte, wegen seiner Teilnahme an der Münchner Räterepublik verurteilt, später begnadigt und 1934 im KZ Orianienburg ermordet wurde, veröffentlicht von 1927 bis 1929 im Unterhaltungsblatt der Vossischen Zeitung Aufsätze über seine Beobachtungen um die Jahrhundertwende als Auftragsarbeit. Seine Erinnerungen schildern lebendig die Bestrebungen der vielfältigen deutschen Literatur- und Künstlerszene um 1900 nach innovativen Ausdrucksformen und Lebensmöglichkeiten. Die Aufsätze wurden z.T. bereits 1931 in einer Auswahl herausgegeben. Erst 1949 konnten sie als Ganzes in der DDR veröffentlicht werden. Der jetzt neu verlegte Band ermöglicht einen authentischen Einblick in eine der aufregendsten Zeiten der modernen Literatur. - Zusätzlich zu den literarischen Texten und den Tagebüchern (ID 43/94). (3) (Hanna Kappus)
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