Michael Braun und Michael Buselmeier haben nach dem Erfolg des ersten Bandes in einer neuen Folge (2009–2014) fünfzig weitere Gedichte der Gegenwart ausgewählt und kommentiert. Die beiden Lyrikkenner legen damit so profund wie verständlich den zweiten Teil eines Standardwerks vor, das unerlässlich ist für all jene, die wissen möchten, was Lyrik heute noch zu leisten vermag. Zu den Gedichten, denen sie sich widmen, gehören Entdeckungen aus aktuellen Literaturzeitschriften ebenso wie vieldiskutierte Texte bekannter Autoren. Mit Gedichten von Elisabeth Langgässer, Wilhelm Lehmann und Oskar Loerke wird an die Großmeister der naturmagischen Schule erinnert, um die es still geworden ist. „Ein unbefangener Leser, etwa ein Gymnasiast oder ein Deutschlehrer, könnte dieses Buch also tatsächlich als repräsentativ für die deutsche Gegenwartslyrik verstehen. Dabei ist es, wie Braun und Buselmeier im Vorwort kundtun, eine auf persönlichen Sympathien beruhende Annäherung an im Laufe der letzten sieben Jahre veröffentlichte Texte. Dem Expertenwissen des Herausgeberduos kann sich der erwähnte Leser auch erst einmal hingeben. Zu fragen ist allerdings, inwiefern die stark biografisch orientierten Kommentare auch die literaturwissenschaftlichen Debatten der letzten zwei, drei Jahrzehnte aufgreifen. In Ansätzen geschieht das, etwa wenn Braun die Collagen in Simone Kornappels „muxmäuschen“ als „Schichtungen ineinander montierter Körperzeichen und Kunstzeichen“ betrachtet und en passant die heutigen „digitalisierten Lebensräume“ miteinbezieht. Die Freude an einem solchen Band würde sich wohl noch erhöhen, wenn die Autoren auch versuchten, zwischen der oft in ihrem Elfenbeinturm lebenden Fachwelt und der interessierten Öffentlichkeit zu vermitteln. Was die mediale Aufmerksamkeit für Lyrik anbelangt, hätten sie ja genug Gelegenheiten dazu. Stattdessen wählen sie jedoch einen derart an biografischen Informationen geschulten Blick, dass die alte These über die Verbindung zwischen Autor und Werk auflebt, als sei sie niemals tot gewesen“ (literaturkritik.de)
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