Es geht in diesem Buch um Sexualität im Sprachvergleich, genauer: um Sexuelles und Fäkalisches beim groben Sprechen. Wenn wir Deutschen schimpfen, beleidigen, fluchen und überhaupt vulgär werden, verwenden wir normalerweise Ausdrücke, die sich auf Exkrementelles beziehen, während unsere Nachbarsprachen zu diesem Zweck fast immer ins Sexuelle gehen. Gibt es Gründe für diesen deutschen Sonderweg? Anhand einer überwältigenden Fülle an Beispielen aus über einem Dutzend Sprachen widmet sich Hans-Martin Gauger dem Thema mit Witz und Scharfsinn. Der Leser wird gut unterhalten, erfährt viel Wissenswertes über Europas Sprachen - und darüber, wie man sprachlich korrekt plurilingual beleidigt und flucht. „Andere Sprachforscher vor Gauger haben aus der kulturellen Eigenheit der deutschen Sprache rasch auf die "anale" Verfasstheit des deutschen Geistes geschlossen. So mancher konnte sich nicht verkneifen, von hier auch Linien zum Nationalsozialismus zu ziehen. Es ist Gauger hoch anzurechnen, dass er solche wohlfeilen Psychoanalysen der deutschen Volksseele diskutiert, sie aber aus guten Gründen ablehnt. Genauso fragwürdig wäre die - ebenfalls denkbare - Folgerung, dass die deutsche Kultur keinen Machismus kenne, weil in der fäkalen Vulgärsprache nur selten Gegner mit negativ besetzten weiblichen Eigenschaften erniedrigt würden. Ganz befriedigend ist es jedoch auch nicht, dass Gauger am Ende fast vollständig darauf verzichtet, Erklärungen für seinen Befund des so abweichenden deutschsprachigen Fluchens zu liefern. Er schließt sein Buch mit der Bemerkung: "Ich stelle nur Fragen". Als Kronzeugen führt er Robert Musils Roman "Der Mann ohne Eigenschaften" an, dessen erstes Kapitel überschrieben ist: "Woraus bemerkenswerter Weise nichts hervorgeht". Damit aber läuft auch der Spannungsbogen ins Leere, den das Buch von seiner ersten Seite an aufzubauen schien. Aber diese Enttäuschung spricht auf der anderen Seite doch auch für eine vorbildliche Haltung des Linguisten Gauger. Die Zurückhaltung, die er am Ende übt, stünde so manchem anderen Sachbuch, das für nichtakademische Leser geschrieben ist, ebenfalls gut zu Gesicht“ (SZ)
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