Vor dem Hintergrund von Kriegsende, Flucht, Wiederaufbau, Wirtschaftswunder und Studentenbewegung berichtet die 1943 in Königshütte (Kattowitz)/Oberschlesien, geborene Münchnerin über ihr turbulentes Leben. Es führte sie von den frühen künstlerischen Anfängen als Anti-Star der Fassbinder‘schen Theatertruppe zu Weltruhm in der Rolle der Maria Braun. Nach Fassbinders frühem Tod im Jahre 1982 wurde sie durch ihre langjährige Zusammenarbeit mit Regisseuren wie Jean-Luc Godard, Marco Ferreri, Ettore Scola, Andrzej Wajda, Alexander Sokurov und Fatih Akin zu einer großen Darstellerin des europäischen Films. Für ihre Rolle in Marco Ferreris Film „Storia di Piera“ erhielt sie 1983 bereits den großen „Preis für die beste Darstellerin“ in Cannes. In der ihr eigenen einfachen, aber immer poetischen Sprache, schwankend zwischen Brecht’scher Raffinesse und Warhols Unverblümtheit, ist Hanna Schygulla in ihrer Autobiographie ganz sie selbst. Klug, aber nie eitel, führt sie die Leser an die Stationen ihres ereignisreichen Lebens zwischen ihren drei Heimatländern Deutschland, Polen und Frankreich, trifft berühmte Weggefährten und erzählt von der Kunst, der Liebe und dem Kino, sowie von den Zufällen des Lebens und der langen Pflege ihrer alten Eltern, immer berührend, aber ohne Pathos, fast genauso wie der Schriftsteller Georg Stefan Troller sie als junge Frau beschrieb: „Sie ist einerseits flutend weiblich, sanft und andererseits abgehoben über den Dingen stehend. Sie ist ein Narziss ohne Eitelkeit, eine Schauspielerin ohne Verstellung, ehrgeizig ohne Plan, schicksalsgläubig ohne Fatalismus“ Die 1943 geborene Schauspielerin hatte bereits vor mehr als 30 Jahren ihre Lebensgeschichte bis zum Jahr 1981 verfasst, aber nicht veröffentlicht. Für diesen Band erweiterte sie diesen Text. Das mag einer der Gründe für seine strukturellen Probleme sein. Bestimmte Ereignisse, etwa im Zusammenhang mit Fassbinder-Filmen, werden ohne Not gleich mehrfach erwähnt. Die Erzählweise ist assoziativ-sprunghaft und manchmal geradezu leicht konfus. Dazu trägt auch der blumige Stil der Autorin bei. Das attraktiv illustrierte Buch ist ohnehin nicht sonderlich umfangreich, trotzdem wird viel Platz für literarische Zitate oder Aussagen anderer über die Künstlerin eingeräumt. Diese Passagen wirken dann eher wie ein Zettelkasten. Schygulla-Fans werden ihre Poetisierungsversuche in Bezug auf ihre Wahlheimat Paris, Liebhaber oder Freundinnen sicher zu goutieren wissen. Wer es lieber etwas stringenter und informativer hätte, gerade über die Arbeit mit so unterschiedlichen Regisseuren wie Godard, Scala oder Akin, dürfte dagegen seine Schwierigkeiten mit der sehr persönlichen Form dieser Memoiren haben. (2) (Michael Raab)
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