Rezension: "Der Kampf der Kulturen sähe so aus: die westlichen Demokratien auf der einen, der Islam auf der anderen Seite. Zwei Welten, gefangen in ihren historischen, kulturellen und religiösen Unterschieden und daher zum Konflikt verurteilt." Auf der Grundlage dieses dualistischen Denkens, so Todorov, gibt es keinen Raum für Dialog. Die Folge: Unnachgiebigkeit, ja, sogar Krieg mit allen Mitteln. Die Demokratie ist zu verteidigen, aber Angst und Ressentiment führen schnell zu Fehlreaktionen. Der Zweck heiligt nicht immer die Mittel, manchmal - so lehrt die Geschichte - kann das Mittel schlimmer sein als die Krankheit. In seinen Reflexionen, die Jahrhunderte europäischer Geschichte einbeziehen, untersucht Todorov die Begriffe Barbarei und Zivilisation, Kultur und kollektive Identität, um jene Konflikte zu interpretieren, die heute zwischen den westlichen Ländern und dem Rest der Welt bestehen. Anhand von aktuellen Kontroversen illustriert und kommentiert Todorov alarmierende Anzeichen für Zivilisationsverluste und plädiert für eine kulturtheoretisch anspruchsvollere Deutung dieser Konfliktlagen. Kulturelle Vielfalt und universal gültige zivilisatorische Werte sind kein Widerspruch, auch wenn der Siegeszug der geschichtsphilosophischen Denkfigur, die Samuel Huntington auf die Formel vom "Kampf der Kulturen" gebracht hat, ein manichäisches Weltbild zu zementieren versucht. Der "Krieg gegen den Terror" als Reaktion auf dieses Weltbild führt zu einer bedenklichen Verwischung von Zielen und Mitteln, die am Ende sogar die Folter im Westen wieder salonfähig macht. Und so besteht die Gefahr, aus Angst vor den Barbaren selbst zu Barbaren zu werden. Es gilt zu erkennen, dass jegliche Identität grundlegend plurikulturell konstruiert, dass Kulturen keine Essenzen, sondern Konstruktionen mit bestimmten Funktionen sind, denen der Mensch nicht schicksalhaft ausgeliefert ist. Weltweit wird es zunehmend Begegnungen zwischen menschlichen Gemeinschaften geben, die unterschiedlichen Kulturen angehören. Die Autoren warnen davor, dass diese Begegnungen in Konflikte ausarten, deren Eskalation das Überleben der Menschheit gefährden kann. Im alten Griechenland waren die Barbaren die Anderen, die Fremden, von denen es sich abzugrenzen galt. In der globalisierten Welt verlieren alte Grenzen zunehmend an Bedeutung: Internet und Flugzeug führen Menschen zusammen, die früher wohl niemals in Kontakt gekommen wären. So gewinnen aktuelle Konfliktlagen - zwischen Kulturen, Religionen oder kollektiven Identitäten - in dem Maß an Brisanz, in dem sie kommuniziert, aber auch instrumentalisiert werden können. Der Kulturwissenschaftler Todorov analysiert in seinem Buch eine Reihe solcher Spannungsfelder. Er sieht Anzeichen dafür, dass aus Angst vor dem Fremden immer häufiger universal gültige zivilisatorische Werte verletzt werden. Sein Buch ist ein Plädoyer für kulturelle Vielfalt.
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