Melitta von Stauffenberg (1903-45) war eine Frau, die stets am Limit lebte und sich bedingungslos für ihre Leidenschaft einsetzte. Sie liebte die Technik, studierte technische Physik und machte als Testfliegerin und Ingenieurpilotin Karriere. 2.000 Sturzflüge hat "Flugkapitän Gräfin Stauffenberg" als "Stuka-Pilotin" absolviert. Die Nationalsozialisten verliehen ihr für ihre Verdienste das Eiserne Kreuz II. Klasse, auch blieb sie dank guter Beziehungen trotz der jüdischen Abstammung ihres Vaters von der Nazi-Rassenjustiz verschont. Nach dem missglückten Attentat auf Hitler, das ihr Schwager Claus von Stauffenberg verübte, wurde sie zusammen mit den anderen Angehörigen in Sippenhaft genommen, aber bald wieder freigelassen. Sie starb auf einem Flug zu ihrem inhaftierten Mann, bei dem ihre Maschine abgeschossen wurde. Die hier vorliegende brillante und umfassende Biografie beruht auf ausgiebigen Recherchen. Der Autor geht sehr differenzierend mit den Extremen und Widersprüchen im außergewöhnlichen Leben der Melitta von Stauffenberg um und unterzieht auch ihre Rolle im Nazistaat einer kritischen Analyse. (1) (Heidi Debschütz) Als Melitta von Stauffenberg im Januar 1943 von Hermann Göring höchstpersönlich das Eiserne Kreuz II. Klasse erhält, ist dies der vorläufige Höhepunkt einer fast unglaublichen Karriere. Nicht nur beherrscht sie als Testfliegerin und Ingenieurpilotin alle damals bekannten Flugzeugtypen, hat sagenhafte zweitausend Sturzflüge absolviert, selbst ausgewertet und so den Bombenkrieg der Luftwaffe perfektioniert - sie bewahrt auch ein Geheimnis: "Flugkapitän Gräfin Stauffenberg" ist nach den Kriterien der Nazis eine "Halbjüdin". Nur mit Hilfe von ganz oben gelingt es ihr, den Fängen der Rassenjustiz zu entkommen - bis zum 20. Juli 1944. Enkelin eines jüdischen Textilhändlers aus Odessa, Schwägerin des späteren Hitler-Attentäters, Flugpionierin, tragische Himmelsstürmerin: Melitta von Stauffenbergs Geschichte erscheint fast wie ein Spiegelbild des 20. Jahrhunderts, das Eric Hobsbawn das "Zeitalter der Extreme" genannt hat. Ihre Liebe zum feingeistigen Althistoriker Alexander von Stauffenberg war genauso bedingungslos wie ihre Hingabe zur Fliegerei, die ihr am Ende zum Verhängnis wird. Mit dem Attentat ihres Schwagers Claus hatte sie "nichts zu tun", schreibt Thomas Medicus und widerlegt plausibel anderslautende Darstellungen, die bislang durch die Widerstandsliteratur geisterten. Er tut das unaufgeregt, reiht Fakten an Indizien. Und er beschreibt die letzten Monate dieser Frau, deren Flugzeug am 8. April 1945 von einem amerikanischen Jagdflugzeug unweit des bayerischen Straubing abgeschossen wurde. Medicus beschreibt die "Rätselfrau", "die nervöse Unrast einer extremen Persönlichkeit", fesselnd und um Fassung bemüht. "Ein verwirrendes, an Unwahrscheinlichkeiten reiches Leben, in dem vieles vereinbar ist, was auf den ersten Blick unvereinbar scheint." Platz 1 der NDR-Sachbuchliste des Monats April 2012
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