Der Dichter Georg Wickram wurde um 1505 geboren und ist wahrscheinlich 1562 gestorben. Er war Gerichtsdiener in Colmar, später Stadtschreiber in Burgheim/Elsass. In seiner Freizeit verfasste er neben Schwänken und Spielen umfangreiche Prosadichtungen und zwar als Novum bürgerliche Romane, die die Bürger in ihrem Milieu darstellten. Die Dissertation "Ökonomie, Geld und Besitz in den Werken Wickrams" bearbeitet die Romane — insbesondere "Vom guten und bösen Nachbarn" und "Der Knabenspiegel". Sie weist nach, dass es zu Wickrams didaktischem Programm gehörte, Anleitung zum richtigen Handeln und einer sinnvollen Lebensführung zu geben. Wickram, der Chronist, steht in der Traditionslinie des mitteleuropäischen Humanismus und der Reformation. Eingebunden in den religiösen und philosophischen Hintergrund stellt er den Verlauf des bürgerlichen Lebensstils dar, insbesondere in der Binnenstruktur der Familie, der Ökonomie in der Partnerschaft und der Pflege von Nachbarschaft und Freundschaft. Zu Wickrams Konzept gehört die Darlegung, wie durch Arbeit und Fleiß des Menschen der Erwerb von Geld und Besitz ermöglicht werden kann. Geld und Besitz zählen zu den erwünschten Sachwerten, nicht weil sie zur Selbstdarstellung dienen sollen, sondern weil die Zunahme materieller Güter die Möglichkeit bietet, einen unabhängigen Lebensstil zu entwickeln und die Entfaltung eines individuellen, bürgerlichen Selbstwertgefühls zu fördern. Einen wichtigen Aspekt in diesem Zusammenhang bildet Wickrams Vorstellung einer guten Erziehung und Ausbildung, mittels derer die Gesellschaftsschichten durchlässig werden können. Wickram zielt auf die Nivellierung des Geburtsadels — ein Transfer zeitgenössischer intellektueller Diskussion in die Literatur. In seinen Werken zeigt Wickram neue Elemente der Auf- und Umbruchssituation dieser Zeit mit der Intention, Wege in eine bessere Gesellschaft anschaulich und attraktiv zu machen. Da er sich eine Verbesserung vorrangig durch vorbildliches Verhalten der Menschen und nicht durch eine "Strukturreform" ...
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