Karl Mays 100. Todestag am 30. März 2012 kündigt sich publizistisch bereits mit Nachdruck an: Nach der rundum überzeugenden Karl May-Biografie Helmut Schmiedts (ID-A 43/11) liegen nun 2 weitere lesenswerte Porträts des erfolgreichsten deutschen Romanciers vor: von Thomas Kramer (in dieser Nr.) und von Rüdiger Schaper (zuletzt "Die Odyssee des Fälschers", ID-G 12/11). Der Untertitel von Schapers Karl May-Porträt, "Untertan, Hochstapler, Übermensch", signalisiert schon den journalisch zugespitzten Darstellungsstil des Buches, in dem das Leben Karl Mays gegenüber seiner Wirkungsgeschichte und seiner aktuellen medialen Präsenz fast in den Hintergrund tritt. Schapers ungewöhnliche Zusammenschau von Leben, Werk und Wirkung wirkt aufgrund der subjektiven Sicht, mancher Überspitzungen und einer insgesamt unzureichenden literarhistorischer Differenzierung nicht immer überzeugend, liest sich aber durchweg anregend und unterhaltsam. H. Schmiedts Biografie bleibt 1. Wahl, sollte aber im Blick auf den 100. Todestag schon in Mittelstadtbibliotheken durch Schapers farbiges Porträt ergänzt werden. (2) (Ronald Schneider) Karl May (1842–1912) hat die populären Mythen der Deutschen geprägt wie kein zweiter Schriftsteller. Rüdiger Schaper wagt einen völlig neuen Blick auf das Leben und (Nach-)Wirken dieses so überaus produktiven und höchst erfolgreichen Autors, der von Abenteuerromanen bis zu erbaulicher Literatur alle erdenklichen Genres bediente und Figuren schuf, die bis heute eine große Faszination ausstrahlen. Karl May weckt starke Emotionen, denn er bedeutet Kindheit, erste Leseerfahrung, Abenteuer. Mit ihm ist man nach »Amerika« und »Arabien« gereist, in sagenhafte Länder, die es so nie gab. In seinen visionären Werken hat er die Bild- und Erzähltechnik des Kinos vorweggenommen, er war der literarische Popstar des Wilhelminischen Zeitalters. Bis heute liegt die geschätzte Weltauflage seiner Bücher bei 200 Millionen. Rüdiger Schaper beschreibt die dornenreiche Karriere eines Underdog aus einer bettelarmen Familie, der im Gefängnis zu schreiben begann und in späten Jahren zum pazifistischen Visionär mutierte. In seiner Biographie stellt er Karl Mays Person und Werk gleichermaßen in ein neues Licht und gibt ihm damit einen Platz in der Weltliteratur. Ein wunderschönes Buch über Triumph und Tragik des Mannes mit der Silberbüchse, dem es um eine heile Welt ging, in der das Gute siegt. "Schapers Buch ist assoziativer und verspielter, mitunter auch origineller, und dieser Biograph schwärmt auch stärker von seinem Helden" (dradio.de). Platz 3 der NDR-Sachbuchbestenliste Februar 2012
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