Shanghai 1938, eine der letzten Zufluchtstätten für die flüchtenden Juden aus Deutschland: eine davon ist Franziska Tausig - sie erfindet die Frühlingsrolle, ein anderer der Buchhändler Ludwig Lazarus. 18.000 werden es am Ende gewesen sein. Kurz vor...
mehr
Shanghai 1938, eine der letzten Zufluchtstätten für die flüchtenden Juden aus Deutschland: eine davon ist Franziska Tausig - sie erfindet die Frühlingsrolle, ein anderer der Buchhändler Ludwig Lazarus. 18.000 werden es am Ende gewesen sein. Kurz vor Ausbruch des 2. Weltkrieges versuchten europäische Juden einen der letzten noch offenen Fluchtorte zu nutzen und sich in Shanghai eine neue Existenz aufzubauen. 18.000 Emigranten sind es schließlich, die unter teils menschenunwürdigen Bedingungen unterkommen. In dem auf umfangreichen Recherchen basierenden Roman verknüpft die auch als Lyrikerin anerkannte U. Krechel (ID 39/05) einige Lebensläufe zu einem beeindruckenden Bild des bedrohten Lebens im Exil. Als staatenlos erklärt landen die Exilanten in Gettos und erleben die Luftangriffe auf Shanghai. Ein Wiener Rechtsanwalt ist darunter, dessen Frau mit selbst gebackenem Apfelstrudel Anerkennung findet, ein Uhrmacher, der findig eine "Uhren-Sprechstunde" einrichtet, der Buchhändler Lazarus, der nach dem Krieg erbittert um Entschädigung kämpft. In dichten Szenen verbindet U. Krechel einfühlsam Fakten und Emotionen, durch ihre fast atemlos wirkenden Satzfolgen wie auch etliche Längen konzentriertes Lesen fordernd. Der bereits mit dem Rheingau Literaturpreis 2008 ausgezeichnete Roman dürfte vielerorts Interesse finden. Empfohlen. (Almuth Hochmüller)