Bereits am Beginn der Literatur steht der Mythos, genauer dessen Rezeption. Noch in der modernen Literatur wird der ästhetische Überschuss der oft erzählten Geschichten ausgebeutet, wird die Arbeit am Mythos fortgesetzt. Doch wer es im zwanzigsten Jahrhundert unternimmt, den Mythos für die Literatur zu funktionalisieren, der setzt sich einem doppelten Legitimationsdruck aus: einem ästhetischen, insofern die Geschichten gerade wegen ihrer Bekanntheit erschöpft zu sein scheinen, einem ideologischen, weil der Mythos als Einspruch gegen die aufgeklärte Moderne verstanden werden kann. Die Studie untersucht ausgehend von Thomas Manns Roman Joseph und seine Brüder, welche Strategien in der Literatur des zwanzigsten Jahrhunderts entwickelt werden, um den Mythos erzählbar zu halten, ohne hinter die Ansprüche der Moderne zurückzufallen. In einer aufsteigenden Linie wird anhand der Texte von Christa Wolf (Kassandra; Medea. Stimmen), John Barth (Chimera), Christoph Ransmayr (Die letzte Welt) und John Banville (Athena) gezeigt, wie das Konzept einer Ästhetisierung des Mythos diesen anschlussfähig macht an moderne Diskurse und ob die entwickelten Alternativen, die mit dem Stichwort Korrektur umschrieben sind, sich als ähnlich plausibel erweisen.
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