Mit dem Skandal um die Uraufführung des sozialen Dramas 'Vor Sonnenaufgang' (1889) wird der junge Autor Gerhart Hauptmann schlagartig berühmt. Ein zentrales Motiv des Stücks überfordert das zeitgenössische Publikum: die erblichen Folgen des Alkoholkonsums. Die vorliegende Studie spannt einen weiten Bogen von den naturalistischen Anfängen des schlesischen Dichters bis zu seinem Spätwerk, insbesondere dem 'Märchen' (1941). Die Untersuchung des Alkoholmotivs in seinem Werk und Leben – mit einem umfangreichen biographischen Kapitel – erweist sich als aufschlußreich für das künstlerische Selbstverständnis Hauptmanns, der nur vorübergehend in den Bann der Abstinenzbewegung geriet, sich bald als inspiriertes Medium begriff und dem Alkohol kreativitätsfördernde Wirkung zuschrieb. Die Auseinandersetzung mit der Eugenik, personifiziert in seinem Freund Alfred Ploetz, wird zu einem Lebensthema Hauptmanns. Da der Dichter sich durch die Eugeniker, die durchweg Alkoholgegner waren, in seiner künstlerischen Identität bedroht sah, kommt er zu einer Kritik von Eugenik, Rassenhygiene und NS-'Euthanasie', die nicht primär moralisch, sondern in seinem künstlerischen Selbstverständnis begründet ist.
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